Die Branche als Spielball der Politik
Datum: 19. November 2021
Autor: Ellen Graeff
In Österreich und Deutschland schnellen die Corona-Inzidenzen in die Höhe, die Ereignisse überschlagen sich seit Mittwoch. Bundesländer jonglieren mit 2G und 2G+ Regelungen. Offiziell schickt niemand die Branche in einen Lockdown, de facto aber passiert es. Die Stornowelle rollt. Prof. Christian Buer kommentiert.
Wer wissen möchte, welches Bundesland in Deutschland gerade für welche Art von Veranstaltung oder Gastronomie-Besuch aktuell welche Voraussetzungen erfüllen muss, findet Infos dazu beispielsweise in einem Beitrag des Deutschlandfunks vom 17. November.
Die Verwirrung ist jedenfalls perfekt: So hat beispielsweise Nordrhein-Westfalen 2G- und 2G plus-Regeln für Gastronomie und Diskotheken angekündigt, Hamburg 2G ausgeweitet und Restaurants, Bars und Clubs künftig für Ungeimpfte tabu erklärt. Sachsen will die 2G-Regel bei Überlastung auf Teile des Einzelhandels erweitern und plant für Freizeit- und Kultur-Events eine 2G+ Option, wenn die Veranstaltung mehr als 50 Personen zählt. Und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann soll sogar bereits geäussert haben, einen Lockdown nicht auszuschliessen. Zudem dauert die Diskussion über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen an, hinzu kommt eine neue über den Sinn oder Unsinn von Impfprämien.
Im Vakuum zwischen alter und neuer Regierung
Inmitten dieses Chaos versucht sich die in Gründung befindliche Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP durch eine Corona-Neuregelung zu profilieren und das bestehende Infektionsschutzgesetz am 25. November auslaufen zu lassen. Für die Branche wäre dies ein kleiner Lichtblick, denn die geplante Neu- Regelung schliesst kategorisch Lockdowns aus. Der Bundestag hat die Drei-Parteien-Vorschläge zu Corona mit neuen 3G-Vorgaben etwa am Arbeitsplatz und in Verkehrsmitteln gestern (18.11.) abgesegnet.
Damit wurde das neue Regelwerk für die Bekämpfung der vierten Welle beschlossen, aber: Es muss am heutigen Freitag noch den Bundesrat passieren. Und ob die noch amtierende, geschäftsführende Bundesregierung dazu ihren Segen gibt, ist fraglich: Im Bundesrat hat die CDU/CSU nämlich noch die Mehrheit. Noch ist die Ampel-Koalition nicht an der Macht.
Geht es nach dem Willen der “Ampel”, dürften die Bundesländer nach dem neuen Gesetz zwar viele Massnahmen beschliessen, die Landesparlamente könnten aber bestimmte Massnahmen nicht ohne weiteres verordnen. Dazu gehören: Ausgangsbeschränkungen, das Untersagen der Sportausübung, die Untersagung von Veranstaltungen, Ansammlungen, Aufzügen, Versammlungen sowie religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften, die Untersagung und Beschränkung von Reisen (insbesondere touristische), Übernachtungsangeboten, gastronomischen Einrichtungen sowie Handel und die Schliessung von Gemeinschaftseinrichtungen (Kitas, Horte, Schulen, Heime etc.).
Dehoga: 2G ist besser als ein Lockdown
Das Gastgewerbe hat von dem ewigen Hin und Her und der bundesdeutschen Uneinheitlichkeit die Nase gestrichen voll. “Schluss mit dem Flickenteppich”, plädierte Andrea Belegante,
Hauptgeschäftsführerin des deutschen Bundesverbandes der Systemgastronomie (BdS) vor der Ministerpräsidentenkonferenz am gestrigen Donnerstag (18.11.). “Wir fordern einheitliche Regelungen.” Die Mitgliedsunternehmen hätten in den vergangenen Monaten hart daran gearbeitet, sich von den wirtschaftlichen Schäden der Lockdowns zu erholen und gleichzeitig hohe Investitionen in Hygiene- und Schutzmassnahmen getätigt.
Dehoga-Präsident Guido Zöllick bezog ebenfalls am Mittwoch Stellung: “Einen Lockdown für Geimpfte und Genesene im Gastgewerbe darf es nicht mehr geben. Es muss alles dafür getan werden, diesen zu verhindern,” sagte er. Der Bundesverband drängt zudem auf klare und möglichst bundesweit einheitliche Corona-Regelungen und appelliert an Gastgeber wie Gäste, ihren Beitrag für die Offenhaltung zu leisten. “Die meisten Bundesländer haben 2G für Restaurants und zum Teil auch für Hotels beschlossen bzw. bereits eingeführt. Jetzt geht es darum, dies sorgfältig und konsequent umzusetzen. 2G ist besser als ein Lockdown.”
Lockdown durch die Hintertür mit 2G+
Der Einführung einer 2G+ Regelung erteilte Zöllick eine strikte Absage. “2G+ ist keine Lösung für Restaurants und Hotels. Es käme einem Lockdown für die Branche gleich. Hotels und Restaurants sind nachweislich keine Pandemietreiber. Und die Geimpften haben ihren Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung bereits geleistet. Wir werden die vierte Welle nicht dadurch brechen, dass wir just von ihnen nun für jeden spontanen Restaurant-Besuch einen Test verlangen.”